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Interview mit Dr. Johanna Ickert und Susanne Richter von kindr

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Wie kamt ihr auf den Namen kindr, und welche Bedeutung steckt dahinter?

Johanna:

Als wir nach einem Namen suchten, der unsere Mission widerspiegelt, fiel uns auf, wie sehr das neue Leben mit Kindern von dem Grad an Freundlichkeit, Empathie und Unterstützung abhängt. "kindr" verbindet das deutsche Wort für Kinder mit dem englischen Begriff "kinder", was freundlicher, aber auch gütiger bedeutet. Es geht darum, den Familienalltag nicht nur zu erleichtern, sondern auch freundlicher und liebevoller zu gestalten und mehr auf den Partner einzugehen. 

Ihr sprecht davon, dass sich mit der Geburt eines Kindes alles verändert. Wie habt ihr das persönlich erlebt?

Susanne:

Für mich hat sich tatsächlich mit einem Schlag alles verändert. Als Mutter von drei Kindern habe ich diese Transformation sehr intensiv erlebt. Du bist nicht mehr nur Partnerin, sondern auch Mutter, in meinem Falle berufstätige Mutter, und diese neue Rolle kann das, was früher selbstverständlich war, vollkommen verdrängen. Es war regelrecht ein Schock für mich, zu realisieren, dass ich nicht mehr völlig frei über meine Zeit verfüge. Plötzlich werden vorher selbstverständliche Dinge wie ins Kino oder Theater zu gehen, “in Ruhe arbeiten" oder einfach so etwas wie Haare waschen zu einem enormen Logistik-Akt. Alles findet gefühlt auf der “Überholspur” oder in Eile statt, während gleichzeitig viele Momente des Alltags eher einem Zeitvakuum ähneln, an dem Tage einem extrem lang vorkommen können, obwohl die Jahre eigentlich dahinrasen. 

Johanna:

Ich glaube, dass man dieser sehr besonderen Zeit mit viel Gelassenheit, Offenheit und Toleranz begegnen muss und viel Information und Unterstützung einholen sollte, da man erstmal lernen muss, überhaupt eine Familie zu werden. Das heisst immer auch, seine Grenzen kennenzulernen, zu lernen was man sich zumuten kann, was man braucht, um zufrieden zu bleiben und was man auch bereit ist, zu zurückzustellen. Mit kindr möchten wir genau diese Unterstützung bieten und Eltern die Tools an die Hand geben, um diese herausfordernde, aber auch unglaublich bereichernde Zeit besser zu meistern.

Viele Eltern fühlen sich im Familienalltag überfordert. Wie kann kindr eurem Verständnis nach hier anders ansetzen?

Johanna:

Unsere App ist darauf ausgelegt, Struktur in den Alltag zu bringen und den Mental Load, der oft besonders auf den Schultern der Mütter lastet, gerechter zu verteilen. kindr bietet praktische Tools und Ressourcen, die nicht nur die Organisation des Familienlebens verbessern, sondern auch dabei helfen, die Beziehung zu sich selbst und dem Partner/der Partnerin zu pflegen. Das ist essentiell, denn eine der wichtigsten Dinge, die Eltern für ihre Kinder tun können, ist letzten Endes, liebevoll zu sich selbst und ihrem Partner zu sein. Denn nur dann haben sie auch die Kraft, die sie für die Kinder brauchen. 

Was würdet ihr sagen, ist das Geheimnis, um als Paar mit Kindern dennoch liebend verbunden zu bleiben?

Susanne:

Zeit. Nein, im Ernst. Ein Geheimrezept gibt es leider nicht. Das erste Jahr mit Kind ist immer eine enorme Herausforderung für die Paarbeziehung - manche sagen auch, es ist wie ein Kometeneinschlag auf die Beziehung - und das war es auch bei uns! Bei jedem Kind aufs Neue, immer wieder ein “Erstes Jahr”. Uns hat tatsächlich das Wissen darum geholfen, dass es sehr schwierig werden wird und dass wir uns, wenn uns die Beziehung wichtig ist, aktiv Zeit füreinander und für die Beziehung nehmen müssen. Es ist entscheidend, sich gegenseitig in den neuen Rollen zu respektieren und zu unterstützen. Das Interesse an den Gedanken und Gefühlen des anderen zu erhalten, respektvoll und verständnisvoll zu sein, sind grundlegende Bausteine. Und vor allem - sich Zeit füreinander zu nehmen. Das gelingt uns leider immernoch viel zu selten. kindr soll genau hier ansetzen und Werkzeuge bieten, die Paaren helfen, im Kontakt und im Gespräch zu bleiben.

Wie sieht eure Vision für kindr in der Zukunft aus?

Johanna:

Wir wollen eine Community schaffen, in der sich Eltern verstanden und unterstützt fühlen, sowohl auf persönlicher als auch auf politischer Ebene. Natürlich ist uns bewusst, dass kindr nur ein erster Schritt sein kann. Strukturelle politische Veränderungen sind definitiv nötig, um die Bedingungen für Eltern grundlegend zu verbessern. Ich denke an die öffentliche Anerkennung und Unterstützung von Care-Arbeit, z.B. durch die Verbesserung von Rentenpunkten für erziehende oder pflegende Personen, um deren spätere Rentenansprüche zu stärken. Zudem wäre eine direkte finanzielle Entlohnung denkbar, etwa durch ein Erziehungs- oder Pflegegeld, um die wirtschaftlichen Nachteile zu kompensieren, die durch die Übernahme der essentiellen, aber oft unbezahlten Care-Tätigkeiten wie Hausarbeit und Kinderbetreuung entstehen. 

Susanne:

Außerdem ist es wichtig, viel mehr als bislang geschehen, die komplexe Rolle der Väter zu sehen, denn nicht nur Frauen “leiden” unter Stress und Ungerechtigkeit. Aktuelle Studien weisen erstmals auch auf die enormen psychischen Belastungen der Elternschaft für junge Väter hin. Hoher Erwartungsdruck im Zusammenhang mit der neuen Vaterrolle, starker Druck und Verantwortungsgefühl, eine Familie versorgen zu müssen oder den Erwartungen nicht gerecht zu werden, können Ängste, starke Selbstzweifel und Depressionen verursachen. Analog zum Thema Mental Load ist uns extrem wichtig, z.B. auch die Belastungen durch den Financial Load zu berücksichtigen. Johanna und ich finden es extrem wichtig, diese Diskussionen voranzutreiben, um das Thema Equal Care voranzutreiben, ohne Männer in die Ecke zu stellen. Außerdem brauchen wir flexible Arbeitsmodelle und besseren Zugang zu qualitativer Kinderbetreuung. Aber klar, das sind eben Dinge, die mehr Bewusstsein und politisches Engagement erfordern. Deshalb featuren wir innerhalb von kindr auch viele redaktionelle Beiträge zu diesen Themen. Wir zeigen aber auch, dass auch auf individueller und familiärer Ebene viel bewegt werden kann. Wir möchten Eltern ermächtigen, proaktiv Lösungen für ihre spezifischen Herausforderungen zu finden und anzuwenden, ohne in die Falle des gegenseitigen “Aufrechnens” zu fallen, also gegenseitig gütiger zu werden, “kinder” eben. 

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